Why I serve, oder warum ich Deutschland als Reservist diene.

Wer sich der Norm des Waffentragens unterwirft, trägt,
wenn er es gewissenhaft tut, dazu bei, eine Ordnung zu schützen,
die wir noch nicht durch eine neue Ordnung zu ersetzen vermocht haben.
Wer sich der Norm des Waffenverzichts unterwirft,
muß hoffen, heute schon ein Beispiel der Ethik zu geben,
die eines Tages die allgemeine sein wird.

Carl Friedrich von Weizsäcker

Es gab sicher einige, zum Teil oberflächliche Gründe, warum ich nicht den damals bequemeren Weg des Verweigerns wählte und es mich als jungen Mann zur Bundeswehr zog, aber die wenigsten davon sind für mich inzwischen noch von Bedeutung. Mehrfach hatte ich Zweifel und dachte darüber nach, einfach nicht mehr die Uniform anzuziehen. Das hätte mir wahrscheinlich einigen Kummer erspart und wäre einfach gewesen. Dennoch diene ich Deutschland weiterhin in der Reserve der Bundeswehr und das aus Überzeugung sowie oft mit Freude. Dafür gibt es Gründe:

Frieden durch Abschreckung

Meinem Selbstverständnis nach begreife ich es als aktive Form des Kriegsgegnerseins, denn ich habe mich zu viel mit Krieg befasst, um noch irgendetwas Glorifizierendes daran zu finden. Kriege haben keine Gewinner, zumindest unter den Teilnehmern, sondern nur Verlierer, weswegen jeder Krieg auf jeden Fall mit allen politischen Mitteln vermieden werden sollte. Jedoch glaube ich, wie Yves Montand, dass der Wolf kein Vegetarier ist1 und als einigermaßen geschichtsbewusster Deutscher kann ich nur Paul Spiegel zustimmen, der meinte: „Man kann nicht a priori Nein zum Krieg sagen. Die Konzentrationslager wurden auch nicht von Friedensdemonstrationen befreit, sondern von der Roten Armee.“

Seit mehr als siebzig Jahren herrscht in Zentraleuropa Frieden und es ist die längste Friedenszeit unserer Geschichte. Ich bin davon überzeugt, dass Streitkräfte und die Bundeswehr durch glaubhafte Abschreckung einen Anteil daran haben. So lange die Menschheit nicht andere Wege gefunden und in internationalen Organisationen etabliert hat, solange brauchen wir diese glaubhafte Abschreckung, bin ich überzeugt. Leider entfernen wir uns in den letzten Jahren durch die zunehmenden, sicherheitspolitischen Herausforderungen und Konflikte als Menschheit immer mehr von einem alternativen Weg zur Friedenssicherung. Daher bin ich vom Bedarf einer staatlichen und gesellschaftlichen Resilienz überzeugt, um Frieden für uns, unsere Verbündeten und hoffentlich viele Hilfsbedürftige zu sichern.

Deutschland als verlässlicher internationaler Partner

Ich hoffe sehr, wir haben den Nationalismus, als schlimmste Geißel des 20. Jahrhunderts hinter uns gelassen und ich sehe Deutschland eingebettet in die Europäische Union (EU), in die Nordatlantikpakt-Organisation (NATO), in die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und in die Weltländergemeinschaft, die Vereinten Nationen (VN). Als Student saß ich im Rahmen der National Model United Nations einmal im Saal der Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York und hoffte noch darauf, dass sich dort ein starker Garant für Frieden entwickeln würde. Leider sieht es mit einem schwachen VN-Sicherheitsrat auf absehbare Zeit nicht danach aus.

So müssen wir unsere Sicherheit mit unseren Partnern in der EU und der NATO sicherstellen und haben natürlich im Gegenzug auch die Verpflichtung, für die ihre einzustehen. Bei der Confédération Interalliée des Officiers de Réserve (CIOR) und der European Army Reserve Forces Conference hatte die Gelegenheit an Veranstaltungen mit Kameraden aus unseren Partnerländern teilzunehmen und glaubhaft aus erster Hand ihre deutlich ernstere Bedrohungswahrnehmung zu spüren. Auch wenn wir das Glück haben, von Freunden umgeben zu sein, so haben wir diese Sorgen ernstzunehmen, denn sie gehen uns genauso an.

Kameradschaft

Kameradschaft erscheint mir manchmal als ein etwas pathetischer und fast schon abgedroschener Begriff, aber wenn man ihn durch Interesse füreinander und gegenseitiges Vertrauen ersetzt, dann gewinnt er gleich an Attraktivität. Kameradschaft wird allen Soldaten per Gesetz befohlen, aber durch gemeinsam Erlebtes wird es erst empfunden. Gemeinsam aus der Komfortzone des bequemen Zivillebens, zumindest für einige Tage, herausgerissen zu werden, schweißt zusammen und lässt das warme Bett daheim auch wieder besser wertschätzen. Gerade in der Reserve habe ich viele sehr idealistische Menschen getroffen, denen ich in meiner normalen Daseinsblase wahrscheinlich so erst einmal nicht begegnet wäre. Ich glaube daran, dass Diversität bereichert und obwohl immer noch denkbar wäre, treffen in der Reserve diverse zivile Existenzen aus unterschiedlichsten Gründen zusammen. Unter dem abstrakten Begriff der Kameradschaft findet man dennoch in der Regel einen gemeinsamen Nenner, der anderwo zunächst schwerer zu finden sein würde.

Bereichernde berufliche Distanz

Wenn ich meine beiden beruflichen Welten miteinander vergleiche, dann begreife ich sie als Mengendiagramm: Als zwei große Kreise mit einer deutlichen Schnittmenge im Zentrum, im Wesenskern. Der Beruf des Lehrers und der des Offiziers haben als wesentliche Aufgaben das fachliche Ausbilden und das Erziehen. Seine Profession in einem anderen Kontext und Interessensbereich auszuüben kann sehr spannend und vertiefend sein. Trotz dieser, meiner Meinung nach, großen Schnittmenge, eröffnet mir aber gerade der Wechsel zwischen den Kreisen immer wieder neue Impulse. Die Aufgaben im einen Kreis zwingen mich an die Ränder meines anderen beruflichen Daseinskreises und manchmal darüber hinaus. So ermöglichen mir dies eine distanziertere, zur Reflexion anregende Sicht, obwohl sich beide Aufgabenfelder viel ergänzen. Diese Reflexionsanregung macht einen guten Teil davon aus, dass ich meine Nebentätigkeit nicht nur als zeitliche Belastung empfinde, sondern als qualitative Bereicherung.

Sicherheit geht uns alle an

Unser aller Sicherheit ist nichts, was sich beauftragen lässt, sondern ich bin überzeugt, dass man selbst einen sinnvollen Beitrag leisten sollte, wenn man dies kann. Ich wurde dazu noch verpflichtet, was mir nicht geschadet hat und ich im Gegenteil als lehrreiches, prägendes Erlebnis in Erinnerung behalten habe. Dennoch bin ich jetzt überzeugt, dass in einer Demokratie nicht zu leichtfertig mit einem Zwang umgegangen werden sollte und dass eine Pflicht nur eingeführt werden sollte, wenn sie wirklich nötig ist. Ein Vorteil der Wehrpflicht war, dass die Streitkräfte junge Männer aus vielen Bereichen der Gesellschaft in sich hatten. Heute haben wir dafür mehr Diversität in den Streitkräften, u.a. durch Frauen, und das halte ich auch für gut.

Als Reservist bringe ich bei jedem Reservedienst auch eine andere Sicht in die Bundeswehr ein. Innerhalb der Reserve geht es mir oft ebenso und ich hatte ich auch dort den Eindruck, mit meinen manchmal wohlwollend kritischen Ansichten bereichern zu können. Andere Sichtweisen beizutragen, Dinge konstruktiv zu hinterfragen, sich auszutauschen und kein „freundliches Desinteresse“2 gegenüber den indirekt von uns allen durch den Bundestag beauftragten Soldatinnen und Soldaten, der Institution der Bundeswehr sowie der Sicherheitspolitik im Allgemeinen zu erlauben, halte ich für wichtig. Neben meiner militärischen Ausbildung hoffe ich auch so ideell meinen Anteil zu unserer aller Sicherheit beizutragen und das kann jeder. Wo Krieg im Clausewitzschen Sinne nur eine Form von gesellschaftlichem Willenskampf ist und wo mit Informationskrieg und anderen Formen des Kriegsführung die Grenzen des Militärischen immer mehr zu verschwimmen beginnen, da gilt in einer Demokratie, meiner Meinung nach, für jeden das Scharnhorst-Zitat „Alle Bürger des Staates sind geborene Verteidiger desselben„. Da ich Deutschland und Europa wertschätze und ich seine Prinzipien auch für meine Kinder erhalten will, diene ich diesem demokratischen, rechts- und sozialstaatlichen Deutschland mit seinen Partnern.

[Derzeit ist dieser Beitrag noch kein zusammenhängender Text und quasi noch im Beta-Stadium. Ich freue mich auf anregende Meinungen und hoffe darauf, dass meine Formulierungen nicht zu schlimm sind. Wer also Feedback hat, immer her damit!]


  1. vgl. das Zitat von Yves Montand: „Pazifisten sind wie Schafe, die glauben, der Wolf sei ein Vegetarier.“
  2. Rede von Bundespräsident Horst Köhler bei der Kommandeurtagung der Bundeswehr 2005 in Bonn

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