Sammlung: Kampf im Urbanen Umfeld

Ich bin überzeugt, dass das Thema Kampf im Urbanen Umfeld, Urban Warfare auf Englisch, immer wichtiger wird. Aus diesem Grund sammele und sortiere ich hier Gedanken und Quellen dazu zunächst für mich, teile sie hier aber mit jedermann.

Vom Maneuver Warfare der späten 1970iger und frühen 80iger kommend, wo Mobilität und die Fähigkeit, die Tiefe des Raumes zu kontrollieren, als entscheidend angesehen wurden, konzentrierten sich die westlichen Landstreitkräfte ab den späten 1990igern vorrangig auf Stabilisierungsoperationen im Rahmen von Auslandseinsätzen. Größere Konflikte waren nicht in Sicht und wurde nicht erwogen. Spätestens seit dem Krieg in der Ukraine hat sich das geändert und auch die Vorbereitung auf das hochintensive Gefecht gegen evtl. ebenbürtige Gegner bekommt in Hinblick auf Landes- und Bündnisverteidigung wieder mehr Bedeutung.

Die Ukraine, Syrien und der Irak haben dabei verdeutlicht, dass Kämpfe heute schon vorrangig um und in Städten geführt werden. Mit dem Konflikt um Bergkarabach zwischen Armien und Aserbaidschan wird die neue technologische Dominanz von Drohnen im offenen Gelände und selbst im Wald offensichtlich 1. Streitkräfte sollten sich daher mit den Veränderungen des Krieges und den Anforderungen dieses neuen, technologisch aufgerüsteten und zunehmend städtischen Gefechtsfeld befassen. Persönlich tue ich das in diesen sich konstant entwickelnden persönlichen Betrachtungen, die ich in die Aspekte Urbaner Raum, Ausbildung, Ausrüstung, Struktur gliedere. Über Hinweise und Empfehlungen würde ich mich freuen.

Der Urbane Raum:

  • Keine einheitliche und universelle Definition vorhanden: Dr. Russell Glenn2 verweist auf eine Definition von Demographia, dass es sich beim Urbanen Raum um ein geographisches Gebilde handelt, dass bei Nacht erleuchtet ist.
  • Kennzeichen des Urbanen Raums:
    • Deutlich komplexer als offenes Gelände, da es ein mehrdimensionaler Raum ist, mit unterirdischen Ebenen (Subterrain Level), mit der Oberfläche (Surface Level), mit Stockwerken nach oberirdisch (Supersurface Level) sowie dem Luftraum.
    • Höhere Dichte und Schlüsselgelände von Versorgungslinien: Kreuzungen, Bahnstrecken, Flughäfen, Häfen, Lager, …
    • Deutlich komplexeres elektromagnetisches Spektrum mit Auswirkungen für Aufklärung und Wirkung in diesem Raum, u.a. höhere Störungsanfälligkeit der Kommunikation.
    • I.d.R. hoher Anteil ziviler Bevölkerung
  • Urbanisierung allgemein nimmt zu.
  • Die weltweite Anzahl von Mega-Cities nimmt zu; städtischen Räumen, die zahlreiche nationalen und internationale Verbindungen und Einflüsse haben.

Ausrüstung:

  • Der Kampf im urbanen Raum verlangt spezialisierte Ausrüstung3:
    • Aufklärung: Wärmebildkameras, Funkscanner, Minidrohnen, Licht, Überwachungssensorik (Bewegungsmelder), …
    • Zugang: Teleskopleitern, Wurfanker, Sprengmittel, Rammen, Brecheisen, Schaufeln, Hacken, Roboter, …
    • Schutz / Kanalisieren: Schilde, Nebel (insb. Sofortigen Nebel4), Sandsäcke, Vorhänge, industrielle Schaumwerfer, mobile Betonwände, EOD-Ausstattung, …
    • Kommunikation: mehr Funkgeräte, Satellitenkommunikation, Lautsprecher(-drohnen), …
    • Wirkung: Waffen mit ausreichend durchschlagender Wirkung, Granatwerfer, Handgranaten, Sprengmittel, Flammenwerfer5
  • Kampf in Tunneln und unterirdisch bedarf spezialiserte Ausrüstung: Sgt. Maj. Joe Vega erwähnt im Interview bei MWI6 Schutzausstattung (Schilde), autonome Atemschutzausrüstung, Kommunikationsmittel, Licht, Seile, Diensthunde, [Drohnen], …
  • Logistik (Wasser, Munition, Essen, Batterien!) ist im urbanen Raum ein zentrales Problem (Bewegung auf Strassen sind zu meiden): Drohnen, kleine/ hochmobile Fahrzeuge würden helfen.

Ausbildung:

  • Ausbildung folgt Ausrüstung: Die oben genannte Ausrüstung kann nur zum eigenen Vorteil genutzt werden, wenn daran hinreichende Handlungssicherheit aufgebaut wurde.
  • Im offenen Gelände bringt Bewegung einen Vorteil, im urbanen Gelände ist der Angreifer deutlicher benachteiligt: 1 – 6 gegen den Angreifer in einem Gebäude7.
  • Erfolgreiche Bewegungen ist anstrengender und viel langsamer, da Strassen zu meiden sind und Sprengfallen vermieden werden müssen.
  • Deutlich höherer Kräfteansatz aufgrund der höheren Dichte des Raums und der Mehrdimensionalität.
  • Sicheres Schießen auf alle Entfernungen, aber besonders im Nahbereich sowie militärischer Nahkampf sind auszubilden.
  • Hohe Eigenständigkeit (Handlungsautonomie und logistische/ medizinische Autarkie) da Kommunikation und Logistik leichter beeinträchtigt sein können.

Struktur:

  • Teileinheiten brauchen ausreichend Pionierunterstützung oder eigene Fähigkeit dazu (Combat Engineers) und insb. Kampfmittelräumer.
  • Teileinheiten brauchen ausreichend Sanitätsunterstützung oder eigene Fähigkeit dazu (Medics).
  • Einheiten brauchen ausreichend Unterstützung im Informationsraum (EloKa, OpKom).
  • Hybride Kräftezusammensetzung: Zusammenarbeit mit einheimischen Kräfte ist dringend zu empfehlen, da man viel mit der einheimischen Bevölkerung in Kontakt kommen wird. Dies bedarf einer kulturellen Ausbildung.

Literatur zum Thema:


Beitragsbild: Israel Defense Forces: Kfir Brigade IDF Officers Practice Urban Warfare. Online auf Flickr. URL: https://www.flickr.com/photos/idfonline/6996322531/ (11.03.2012)(Zugriff 22.01.2021)


  1. vgl. Amble, John: „The Conflict in Nagarno-Karabakh Giving Us a Glimpse into the Future of War“ in the MWI Podcast. URL: https://mwi.usma.edu/mwi-podcast-the-conflict-in-nagorno-karabakh-is-giving-us-a-glimpse-into-the-future-of-war/ (14.10.2020)(Zugriff 22.01.2020)
  2. vgl. Amble, John: „The Future Urban Battlefield“ in the MWI Podcast. URL: https://mwi.usma.edu/mwi-podcast-future-urban-battlefield-dr-russell-glenn/ (16.08.2017)(Zugriff 22.01.2020)
  3. vgl. Spencer, John: „A Soldier’s Urban Warfare Christmas Wish List“. URL: https://mwi.usma.edu/soldiers-urban-warfare-christmas-wish-list/ (23.11.2018)(Zugriff 22.01.2020)
  4. vgl. dazu https://twitter.com/rgpoulussen/status/1375690639048839169
  5. vgl. dazu https://twitter.com/jesusfroman/status/1374617575452205057?s=20
  6. vgl. Spencer, John: „A Talk with the US Army’s Underground Warfare Export“ in the MWI’s Urban Warfare Project Podcast. URL: https://mwi.usma.edu/talk-us-armys-underground-warfare-expert/ (25.06.2020)(Zugriff 22.01.2020)
  7. vgl. Anthony King bei Roberts, Peter: „Is the Era of Manoeuvre Warfare Dead?“ in RUSI’s Western Way of War Podcast Episode 30. URL: https://www.rusi.org/multimedia/era-manoeuvre-warfare-dead (24.12.2020)(Zugriff: 04.01.2021)

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1 Response

  1. 22. Januar 2021

    […] Ein Plädoyer für die Stärkung der Identität der Jägertruppe als Spezialisten für den Kampf im Urbanen Umfeld. […]

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