Zur Identität der Jägertruppe

Ein Plädoyer für die Stärkung der Identität der Jägertruppe als Spezialisten für den Kampf im Urbanen Umfeld.

Neben der spezifischen Ausrüstung und Ausbildung, bin ich davon überzeugt, dass Truppengattungen ein Selbstverständnis entwickeln und pflegen sollten. Dabei will ich betonen, dass ich den Begriff des Pflegens in die eine, wie auch die andere Richtung verstehe, also stärkend und zügelnd, um Exzessen entgegenzuwirken. Damit integriert oder verwoben hat allgemein die Innere Führung natürlich zu erfolgen, die den Zweck des soldatischen Dienens verdeutlicht und wo für jeden Einsatz eine politische Legitimation nicht nur im Bundestag vorhanden sein sollte, sondern diese den Soldatinnen und Soldaten vermittelt wird.

Schaut man für die Jägertruppe auf Bundeswehr.de so spiegelt sich dieses Verständnis nur bedingt wider, aber das wäre wahrscheinlich auch zu viel erwartet. Hier wird sie einfach als Teil der Infanterie beschrieben, die mit „ihrer Ausbildung und ihrer Ausrüstung befähigt zum Kampf im urbanen oder stark bewaldeten Gelände“ sind. Einen solch knappen Satz halte ich für zu kurz gegriffen und frage mich, ob die Jägertruppe nicht mehr Profilierung verdiente und gerade im Angesicht der militärischen Entwicklungen wir gut daran täten dies zu fördern.

Urbanisierung

Ein weltweiter Trend ist die zunehmende Urbanisierung der Bevölkerung. In unseren immer Gesellschaften lebt ein immer größerer Anteil in Städten bis hin zu sogenannten Mega-Cities. Der Anteil der Landbevölkerung nimmt hingegen ab und wenn man den meisten Prognosen glaubt, wird dies weiter zunehmen. Für die Entscheidung im Kampf kann man daher die Städte nicht umgehen, will man keine humanitäre Katastrophe durch Belagerung in Kauf nehmen, sondern man muss hinein und genau dort die Entscheidung suchen. Städte erweisen sich aber als das komplexeste Gelände, da der Kampf dort mit unterirdischen Kanälen, mit den Straßenzügen an der Oberfläche und über Stockwerke und Dächer in der Höhe immer dreidimensional zu denken ist. Dazu kommt noch, dass Städte Transport und Informationsknotenpunkte sind. Man sollte Sie als lebendige Organismen begreifen sollte, die Stakeholder mit überdurchschnittlichem Einfluss im internationalen System sind1. Dies macht den Kampf im urbanen Umfeld zu einem deutlich anspruchsvolleren Gefechtsfeld, als die vergleichsweise platte Lüneburger Heide.

Gekämpft wird in der Stadt

Dass Kriege immer schon auch dort gekämpft wurden, wo Menschen leben, dürfte jedem beim Blick in die Geschichte klar sein. Mal wurden die Schlachten außerhalb ausgetragen und mal wurde der Krieg in die Stadt geholt. Gerade asymmetrische Kriegsführung nutzte auch das urbane Terrain. Durch die technologischen Veränderungen, z.B. besonders im Luftkrieg, zeichnet sich ein klarer Trend dahin ab, dass der menschliche Kampf dahin geht, wo die Technologie nicht so stark dominieren kann. Im jüngsten Konflikt um Bergkarabach wurden die neusten technologischen Fortschritte offenbar: Nachdem innerhalb von vier Tagen die armenische Luftverteidigung durch aserbaidschanische Luftstreitkräfte, insb. Drohnen, ausgeschaltet war, erlebten wir die wie sich der Kampf am Boden verändert hat2. Die längere Standzeit in der Luft und zum Teil sehr hohe Flughöhe der Drohnen führten dazu, dass im nicht bebauten Gelände alle armenischen Kräfte leichte Ziele wurden. Dank verbesserter Sensorik boten auch Wälder keine Sicherheit vor Aufklärung und in Folge Bekämpfung mehr. Bebautes Gelände hingegen weist erhöhte Schwierigkeiten für die Sensorik auf und somit einen besseren Schutz der Kräfte auf. Dort führt (noch) keine Technik dazu, dass der Kampf ohne den Menschen entschieden wird und dort sollte daher das Augenmerk der Infanterie der Bundeswehr liegen. Experten, wie Professor Anthony King, kommen sogar schon zum Urteil „maneuver warfare is dead“3 und sagen, dass wir auf den kräftezehrenden Belagerungskampf vorbereiten sollten.

Spezialisten in der Infanterie

Verbringen jedoch die Fallschirmjäger und die Gebirgsjäger einen guten Teil ihrer Zeit mit dem Erhalt ihrer jeweiligen Spezialisierungen Luftbeweglichkeit bzw. Gebirge und Klimazonen, so sind doch gerade die Jäger die Spezialisten für den Kampf im Wald und eben in der Stadt. Wie ich oben geschildet habe, kann der Waldkampf zwischenzeitlich als historisch und von nachrangiger Bedeutung betrachtet werden. Ich plädiere hingegen dazu, die Jäger zu der Truppengattung für den Kampf im urbanen Umfeld zielgerichtet auszustatten, auszubilden und auch ein entsprechendes Selbstverständnis dort zu entwickeln sowie zu pflegen.

Spezialisten mit goldenem Eichenlaub

In ihren Anfängen war die Jägertruppe [/efn_note]vgl. Wikieintrag bei der Lernwerkstatt der Uni Hannover. URL: http://www.lwg.uni-hannover.de/wiki/J%C3%A4ger (11.06.2010)(Zugriff: 25.12.2020)[/efn_note] historisch deshalb elitär, da sie aufgrund ihrer guten Ausbildung viel mehr Eigenständigkeit kämpfen konnte, wo die Linieninfanterie benachteiligt war, zum Beispiel im Wald, was heute für die Stadt gilt. Da Städte besondere Erschwernisse für Führung, Logistik, Aufklärung und auch den Kampf darstellen, stoßen hier vernetzte Einheiten schneller an ihre Grenzen, müssen hier viel mehr eigene Verfahren und vor allem Dezentralisierung, d.h. Eigenständigkeit, besonders gefördert werden. Neben ihrer Ausstattung mit Büchsen mit gezogenen Läufen und ihrer besonderen Ausbildung als Waldmänner machte auch das die Exklusivität der Jäger aus. Dafür steht ihr goldenes Barettabzeichen, das sich derzeit durch die zunehmende Benutzung bei den Heimatschutzeinheiten der Streitkräftebasis zu einem allgemeinem Infanteriesymbol entwickelt und so von seinen historischen Wurzeln entfremdet.

In einer Zeit, in der wir die Jägertruppe also eigentlich viel mehr als die Spezialisten brauchen, die sie sein sollten, nimmt der Trend einer allgemeinen Infanterie unter dem Eichenlaub leider noch zu. Wo sind in der Bundeswehr die Spezialisten für den Kampf im urbanen Umfeld mit entsprechender Ausrüstung, Ausbildung und klarem, identitätsstiftendem Profil mit goldenem Eichenlaub am grünen Barett?

  1. vgl. John Spencer und John Amble: „A Better Approach to Urban Operations: Treat Cities Like Human Bodies“. URL: https://mwi.usma.edu/better-approach-urban-operations-treat-cities-like-human-bodies/ (09.13.17) (Zugriff: 20.12.2020)
  2. vgl. Yair Ramati: “Military Lessons: Armenia-Azerbaijan Conflict”. URL: https://www-miryaminstitute-org.cdn.ampproject.org/c/s/www.miryaminstitute.org/commentary-blog/military-lessons-armenia-azerbaijan-conflict?format=amp (24.12.2020)(Zugriff: 25.12.2020)
  3. bei Roberts, Peter: „Is the Era of Manoeuvre Warfare Dead?“ in RUSI’s Western Way of War Podcast Episode 30. URL: https://www.rusi.org/multimedia/era-manoeuvre-warfare-dead (24.12.2020)(Zugriff: 04.01.2021)

You may also like...

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert