Lehrerbelehrer

Ein kleiner Rant für professionsfremde Besserwisser.

Da ist also wieder einer dieser Horste, Ingos, Bernds oder Michaels, der mir die Probleme in meinem Beruf und mal schnell eine einfache Lösung dafür in einem Beitrag in den Sozialen Medien oder sogar einem Zeitungskommentar erklären wollen.
 
Da ist also wieder einer dieser mutigen Männer, die ihre Meinung zu einem Thema aus einem, ihnen fremden Berufsfeld ins Internet hinaus posten müssen. Btw, mir sind nur selten Frauen mit einem solchen Erklärdrang begegnet.
 
Da ist also wieder ein Dr.-Ing. bzw. Dipl.-Ing. vor dem Namen oder ein MBA dahinter, der sicher ungern in seiner Profession meine fachlich unqualifizierte Meinung anhören würde, aber aufgrund seiner 20, 30 oder 40 Jahre zurückliegenden Erfahrung von Schule und der seiner Kinder, am besten noch weitergeleitet von der sich um diese kümmernde Ehefrau, nun eine ganz klare Vorstellung von Schule und den nötigen Reformen dort hat.
 
Und was soll ich jetzt mit diesem Beitrag von Horst, Ingo, Bernd oder Michael machen?
 
Einige Male habe ich einfach stilles Lesen probiert, aber danach war ich nur schlecht gelaunt.
 
Dann habe ich freundlich gefragt, ob sie ihrem Rechtsanwalt oder Arzt seine Profession ebenfalls erklären würden. Da sie aber selten ein Professionsverständnis selbst zu haben scheinen oder sich wenigstens die Zeit nehmen, den Wikipedia-Artikel zu Professionalisierung durchzulesen, weil sie ja aus ihrem alltäglichen Gebrauch meinen, den Begriff zu kennen, ist ein Verweis darauf i.d.R. zwecklos und entspinnt nur eine endlose Debatte.
 
Bei inhaltlichen Antworten und dem anschließenden Diskurs frustrierte mich meist schnell, dass man verdeutlichen musste, dass in pädagogischen Berufen nun mal nicht die Effizienzsteigerungsansätze aus der Industrie immer gut sind oder man auf diverse, extreme Vereinfachungen eingehen muss. Am Ende hatte ich selten das Gefühl, dass da Verständnis erwachsen ist.
 
Ein paar Mal bin ich auch über die persönlich Schiene eingestiegen und habe gefragt, was sie denn gemacht haben, als vor Jahren oder
Jahrzehnten die Lehrerinnen und Lehrer auf diese wachsenden Probleme hingewiesen haben? Und falls es nicht bekannt sein sollte: Nein, der Lehrkräftemangel ist nicht plötzlich gekommen, genauso wenig wie die Digitalisierung oder immer ältere Infrastruktur. Es interessierte nur niemanden.
 
Schule ist anscheinend jetzt dringend geworden oder vielleicht generiert es auch nur ein paar schnelle, dem eigenen Ego schmeichelnde Likes. Auf jeden Fall interessieren sich Horst, Ingo, Bernd oder Michael jetzt für Schule.
 
Weil ich mich aber schon etwas länger für Schule und
seine Probleme interessiere sowie von Eisenhower gelernt habe, das Dringende vom Wichtigen zu unterscheiden, schone ich künftig meine Nerven und werde die Horste, Ingos, Bernds oder Michaels da draußen künftig nur noch auf diesen Beitrag verweisen.
 
Die meisten Schülerinnen und Schüler haben jedenfalls in der
Schule gelernt, dass „wenn man von etwas keine Ahnung hat, dann sollte man einfach mal …“
oder sich eben informieren und fragen.
Letzteres ist mir in den Sozialen Medien leider selten begegnet.


In leicht anderer Form findet sich der Beitrag auch hier auf LinkedIn.


Beitragsbild: Erstellt durch die Software DALL E der Firma OpenAi.

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