Leistungsbewertung als Problem im handlungsorienten Unterricht

In den letzten zehn Jahren wurden in vielen Bildungsgängen des Berufskollegs in NRW die Bildungspläne an die Lernfelddidaktik angepasst. Es wurden handlungs- sowie kompetenzorientiert Bildungspläne mit Fächern eingeführt, was meiner Meinung nach schon ein Kompromiss und eine Inkonsequenz ist, aber diese wurden oder sollten in den Schulen in den didaktischen Jahresplanungen in Lernsituationen umgesetzt sein. Ich sehe die eindeutige Stärke dieser Didaktik darin, dass unterschiedliche Kompetenzen fordernde Handlungsprodukte dabei erarbeitet werden können und sollen. Wenn sie nicht inhaltlich zu überladen sind, dann bieten die Bildungspläne die Möglichkeit aktuellen Unterricht damit zu gestalten.

Leider wurden mit den Bildungsplänen nicht die verwaltungsrechtlichen Grundlagen der Leistungsbewertung darüber angepasst, sodass diese noch einen deutlichen Fokus auf Klassenarbeiten neben den Handlungsprodukten haben. So sagt die Verwaltungsverordnung (VV) 8.2.2. zu §8 der Ausbildungs- und Prüfungsordnung Berufskolleg (APO-Bk), dass die Zeugnisnoten „gleichgewichtig aus dem Beurteilungsbereich „Schriftliche Arbeiten“ [i.d.R. Klassenarbeiten] und dem Beurteilungsbereich „Sonstige Leistungen“ [z.b. Handlungsprodukte wie Präsentationen, Protokolle u.a.] gebildet“ werden sollen. So kommt es, dass man zwar eine wunderbare, komplexe, handlungs- und kompetenzorientierte Lernsituation über mehrere Monate vielleicht sogar fächerübergreifend Lernsituation mit einem oder mehreren Handlungsprodukten als Ergebnis entwickelt und durchführt, aber dass am Ende vorgeschrieben ist, dass die kurze Klassenarbeit von 40, 60 oder 90 Minuten die Hälfte der Zeugnisnote auszumachen hat.

Klassenarbeiten nicht vorrangig inhaltlich orientiert, sondern wirklich kompetenzorientiert zu stellen und valide zu bewerten, halte ich zwar für möglich, aber sehr, sehr schwierig und zeitaufwendig, weswegen es selten passiert, behaupte ich. Dazu kommt, dass mit der VV 8.2.6 zu §8 APO-BK noch erschwerend hinzukommt, dass schriftliche Arbeiten „zu einer eigenständigen Leistungsnote“ führen müssen, was jedes zeitgemäße Format, z.B. mit Internetzugang, eigentlich ausschließt, da die Eigenständigkeit dabei nicht sicher gewährleistet werden kann.

Wollte man ernsthaft Handlungs- und Kompetenzorientierung sowie Digitalisierung im Unterricht erreichen, müsste man die Leistungsbewertung entsprechend anpassen, da sonst Schülerinnen und Schüler sehr schnell merken, wie sehr wir auf klassische Klassenarbeiten fokussiert sind. Bei vollen Bildungsplänen, kommt dann schnell zurecht die Frage auf, warum Lernende viel Energie in komplexe Lernsituationen stecken sollen, wenn Sozialverhalten und andere Kompetenzen einen winzigen Bruchteil der Note einer Klassenarbeit ausmachen. Die digitale Arbeitswelt soll zunehmend kooperativ sein, aber die Schule hat noch einen klaren Fokus auf Einzelspieler. Unsere Leistungsbewertung fokussiert sich noch klar auf die Selektionsaufgabe von Schule, dabei zeigt die Demographie und der Fachkräftemangel, dass wir eigentlich uns aufs Fördern konzentrieren sollten, was viel passender außerhalb von schriftlichen Arbeiten möglich wäre.


Beitragsbild: Wikimedia Commons contributors, „File:Unterricht Master Business Administration.jpg,“ Wikimedia Commons, the free media repository, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?title=File:Unterricht_Master_Business_Administration.jpg&oldid=470643755 (accessed December 27, 2020).

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1 Response

  1. 22. Januar 2021

    […] nicht mehr den selben, auch durch veraltete Formen der Leistungsbewertung erlangten (siehe auch hier), dominierenden Stellenwert haben, wie das früher zum Teil […]

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